Es gibt Erkrankungen, die sind allgegenwärtig – in der öffentlichen Wahrnehmung, den Medien und vor allem in unseren Köpfen. Man weiß um das Risiko von Schlaganfall und Herzinfarkt. Der Zucker der Oma und die Knieschmerzen des Onkels sind regelmäßig Thema bei Familienfeiern. Bei Depression sieht es da schon anders aus. Über sowas redet man nicht, das gehört sich einfach nicht. Und so hält sich das trügerische Bild der Depressionen als Randerscheinung. Das ist nicht nur falsch, sondern auch gefährlich.  

Um die 16 – 20% der in Deutschland Lebenden erkranken im Laufe ihres Lebens an einer Depression. Jedes Jahr erkranken in Deutschland ca. 8% der 18 – 79 Jährigen. Damit sind Depressionen nicht nur das häufigste psychische Krankheitsbild, sondern auch weit stärker verbreitet als andere Erkrankungen wie Herzinfarkt (ca. 5% / Jahr) oder Schlaganfall (ca. 0,25% / Jahr). Trotzdem haftet den Erkrankten nach wie vor ein Stigma an. Trotzdem sind viele Vorurteile immer noch weit verbreitet. Trotzdem werden Depressionen als Erkrankung oft immer noch nicht ernst genommen. Wir finden, es wird allerhöchste Zeit daran etwas zu ändern.  

Was heißt „depressiv“ überhaupt? Was kann man selber gegen eine Depression tun und wann sollte man sich Hilfe suchen? Wo bekommt man diese Hilfe her? Und wie läuft eine Behandlung ab? Diese Fragen werden wir versuchen mit dem folgenden Artikel zu beantworten.  

ACHTUNG: Die Auseinandersetzung mit einem Krankheitsbild ist ein wichtiger Schritt in der Therapie einer psychischen Erkrankung. Trotzdem können Artikel niemals eine Psychotherapie ersetzen.  Solltest du das Gefühl haben, dass du oder eine dir nahestehende Person an Depressionen leidet, kannst du dich hier melden: 
Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 
Ärztlicher Bereitschaftsdienst: 116 117 

Was bezeichnet man als Depression? 

Tage, an denen man sich müde, lustlos und niedergeschlagen fühlt hatten wir sicherlich alle schon. Und das ist vollkommen in Ordnung. Solche Phasen gibt es immer wieder und nicht jeder der solche Gefühle an sich beobachtet, leidet unter eine Depression.  
Doch wo verläuft sie, diese Grenze zwischen „ab und zu schlecht drauf“ und „depressiv“? 

Bei der Diagnostik (also dem Feststellen) einer Depression unterscheidet man zwischen allgemeinen Voraussetzungen (1), Hauptsymptomen (2) und weiteren Symptomen (3).  

  1. Allgemeine Voraussetzungen: 
    Diese Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit von einer Depression gesprochen werden kann.  
  • Die Symptome müssen über mindestens zwei Wochen vorliegen 
  • Keine manischen Phasen (Phasen des übersteigerten Hochgefühls – siehe Artikel Bipolarität) 
  • Organische Ursachen müssen ausgeschlossen sein (z.B. Probleme mit der Schilddrüse oder Nebenwirkungen von Medikamenten) 
  1. Hauptsymptome:
    Diese Symptome treten fast immer auf.
  • Gedrückte Stimmung (den Großteil des Tages, fast jeden Tag) 
  • Interessensverlust 
  • Antriebslosigkeit 
  1. Weitere Symptome: 
  • Verminderung von Konzentration und Aufmerksamkeit 
  • Vermindertes Selbstwertgefühl und Aufmerksamkeit 
  • Schuldgefühle, Gefühl der Wertlosigkeit 
  • Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven 
  • Gedanken an Selbstverletzung 
  • Schlafstörungen 
  • Veränderung im Essverhalten 

Außerdem wird zwischen leichten, mittelschweren und schweren depressiven Episoden unterschieden. Die Einteilung hängt davon ab, wie viele Symptome aus der jeweiligen Kategorie zutreffen.  

 
Leichte Depression alle 
Mittelschwere Depression alle 3 – 4 
Schwere Depression alle alle 4 oder mehr 

Manche Patient:innen haben zusätzlich körperliche Beschwerden als Ausdruck einer Depression.  Das können Schmerzen, Luftnot oder Magen-Darm-Probleme sein.  

Zur Selbsteinschätzung kann der Zwei-Fragen-Test genutzt werden.  

  • Fühltest du dich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos? 
  • Hattest du im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die du sonst gerne tust? 

Wenn du beide Fragen mit „Ja“ beantworten kannst, kann das ein Anzeichen für eine Depression sein. In dem Fall ist es ratsam, mit eine:r Ärzt:in oder Therapeut:in zu sprechen. Nur sie können eine Diagnose stellen. 

Wer kann eine Depression bekommen?  

Prinzipiell kann jede Person an einer Depression erkranken. Es gibt allerdings einige Faktoren, die das Auftreten einer Depression wahrscheinlicher machen.  

Geschlecht:

Bei Frauen werden häufiger Depressionen diagnostiziert als bei Männern. Ob Frauen aber tatsächlich auch häufiger erkranken als Männer ist nicht ganz klar. Möglich ist auch, dass Frauen sich häufiger Hilfe suchen und deshalb häufiger diagnostiziert werden. 

Alter:

Bei den meisten Betroffenen wird die Erstdiagnose nach dem 30. Lebensjahr gestellt.  Auch hier kann es allerdings sein, dass sich jüngere Betroffene seltener Hilfe suchen.  

Genetik:

Wie bei vielen körperlichen Krankheiten, spielen auch bei der Depression die Gene eine Rolle. Wer in seiner Familie Personen hat, die an einer Depression leiden, ist gefährdeter selber zu erkranken. Man spricht von einer genetischen Disposition. 

Soziales:

Personen mit mangelnder sozialer Unterstützung erkranken häufiger an Depressionen.  

Krankheiten:

Manche körperlichen Erkrankungen steigern das Risiko einer Depressionserkrankung. Dazu zählen unter anderem Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. 

Ereignisse:

Manche schwerwiegenden Ereignisse, wie der Verlust einer geliebten Person oder Arbeitslosigkeit, erhöhen das Krankheitsrisiko.  

Man sieht also, dass es viele Faktoren gibt, die einen Einfluss auf die Entstehung einer Depression haben. Deshalb spricht man von einem multifaktoriellen Krankheitsentstehung.  

WICHTIG: Genauso wie bei allen anderen Krankheiten, sind Betroffene nicht Schuld an ihrer eigenen Depression. Durch das gesellschaftliche Bild von Depression als ein Zeichen von Schwäche, schämen sich Betroffene häufig für ihre Gefühle und haben Angst sich jemandem anzuvertrauen. Die Information über das Krankheitsbild Depression ist ein wichtiger Schritt um diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Der nächste Schritt ist das Annehmen von Hilfe. 

Was heißt „Hilfe annehmen“ und wo bekommt man Hilfe? 

Depression ist eine medizinisch anerkannte Erkrankung und keinesfalls ein Zeichen von mangelnder Stärke oder Willenskraft.  Das heißt: 

  • Niemand ist Schuld an seiner Depression.  Das würde man jemandem mit einer anderen Krankheit ja auch nicht vorwerfen. 
  • Es gibt Spezialisten, die für die Behandlung dieser Krankheit ausgebildet sind. Ein gebrochenes Bein würde man auch nicht versuchen selber zu behandeln. 
  • Die Behandlungskosten für Depressionen werden von der Krankenkasse übernommen. 

Für viele Betroffene ist der erste Schritt, sich einzugestehen dass es einem nicht gut geht und man es alleine nicht schafft, sich aus diesem Tief zu befreien.  
Diese Realisation mag banal klingen, kostet aber oft viel Kraft und vor allem Mut.  

Der nächste Schritt auf dem Weg der Behandlung ist, mit anderen über diese Erkenntnis zu sprechen.  

Das können Freund:innen oder Familie sein. Vielen fällt es aber auch leichter, sich Menschen anzuvertrauen, die sie gar nicht persönlich kennen – zum Beispiel über eine Telefonseelsorge.  

Im Folgenden ist es sinnvoll, sich an seine:n Hausärzt:in zu wenden.  
Hausärzt:innen können auch bei psychischen Schwierigkeiten Krankschreibungen ausstellen und eine akute Situation so oft schon etwas entspannen. Außerdem stellen Hausärzt:innen Überweisungen an Psychotherapeut:innen oder Psychater:innen aus. Wenn du möchtest, kannst du zu diesem Termin natürlich auch eine nahestehende Person mitnehmen. Bis man einen Termin für eine Psychotherapie bekommt, kann es allerdings zum Teil Wochen dauern. Diese Zeit kann für Betroffene oft besonders schwierig sein.  

ACHTUNG: Solltest du dich genau in dieser Situation befinden und das Gefühl haben, diese Zeit nicht alleine durchstehen zu können, Gedanken an Selbstverletzung oder Suizid haben, kannst du dich auch jederzeit selbst in eine stationäre Psychiatrie einweisen. Patient:innen mit Suizidgedanken dürfen von Psychiatrien nicht abgelehnt werden. In der Psychiatrie findet eine intensive Betreuung mit Psychotherapie sowie eventuell eine medikamentöse Einstellung statt.  

Für eine erfolgreiche Psychotherapie ist es wichtig, dass ein gutes Verhältnis zwischen Therapeut:in und Patient:in entsteht. Krankenkassen erstatten deshalb zunächst „Probesitzungen“ in denen beide Beteiligten herausfinden können, ob sie sich so eine intensive Zusammenarbeit vorstellen können. In den ersten Sitzungen werden gemeinsam Therapieziele erarbeitet und über Behandlungsoptionen gesprochen. 
Entscheiden sich beide Beteiligten füreinander, stellen Patient:in und Therapeut:in gemeinsam einen Antrag bei der Krankenkasse. Sobald die Krankenkasse den Antrag bewilligt hat, kann die Behandlung beginnen. 

Wie läuft die Behandlung ab? 

Hast du eine:n passende:n Therapeut:in gefunden, beginnt die Psychotherapie. Sie lässt sich grundsätzlich in zwei Phasen einteilen.  

Akuttherapie

Behandlung der vorliegenden Beschwerden. 

Erhaltungstherapie:

Stabilisierung des erreichten Zustandes nach der Akuttherapie. Verhinderung eines Rückfalls 

Es gibt verschiedene Arten der Psychotherapie wie Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie oder systemische Therapie. Mit welcher Therapieform gearbeitet wird hängt von Krankheitsbild, der Schwere der Erkrankung, Patient:in und Therapeut:in ab. Manchmal kann es eine Weile dauern, bis man die perfekte Therapie für sich gefunden hat. 

Bei leichten und mittelschweren Depressionen kann eine alleinige Behandlung durch Psychotherapie akute Beschwerden oft lindern und Rückfälle verhindern. Bei schweren Depressionen reicht die singuläre Psychotherapie jedoch oft nicht aus. Unterstützend können dann Medikamente eingesetzt werden. Medikamente, welche bei der Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, heißen Antidepressiva. Sie greifen chemisch in den Stoffwechsel des Gehirns ein und beeinflussen Botenstoffe wie Serotonin und Noradrenalin. Auch bei Antidepressiva gibt es zahlreiche verschiedene Optionen. Welches Antidepressivum am besten hilft, ist individuell unterschiedlich. Dabei unterscheiden sich die Nebenwirkungen der Antidepressiva untereinander und zwischen Patient:innen. Die Abwägung zwischen Nutzung und Nebenwirkungen von Medikamenten ist also eine individuelle Entscheidung von Patient:in und Psychiater:in. Eine physische Suchtgefahr besteht nicht. 

Zusätzlich zu Psychotherapie und/oder Antidepressiva können unter anderem Ergotherapie oder Selbsthilfegruppen die Behandlung unterstützen. 

Weitere Informationen 

Wenn du dich weiter zum Thema Depression informieren möchtest, empfehlen wir dir folgende Internetseiten: 

Allgemeine Informationen: 
https://www.deutsche-depressionshilfe.de
https://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/depression
https://www.psychenet.de/de/psychische-gesundheit/informationen/depressionen.html
https://www.gesundheitsinformation.de/depression.html

Selbsttest 
https://www.psychenet.de/de/selbsttests/depression.html

Suizidprävention 
https://www.suizidprophylaxe.de/

Informationen für Angehörige 
https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/depression-ratgeber-fuer-angehoerige

Quellen:

https://www.deutsche-depressionshilfe.de
https://next.amboss.com/de/article/UR0bmf?q=schlaganfall#Z26d79c8b2401bd949ec51d7c96878352
https://www.patienten-information.de/patientenleitlinien/depression
https://www.gesundheitsinformation.de/depression.html
S3-Leitlinie/Nationale VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression – Langfassung, 2. Auflage. Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN);Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztlihce Bundesvereinigung (KBV); Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF)2015