Wie läuft eine Psychotherapie eigentlich ab? Jeder Behandlungsprozess ist natürlich sehr individuell. Dennoch lässt er sich in verschiedene Phasen gliedern 1:
Step 1: Die Psychotherapeutische Sprechstunde
Zu Beginn findet eine psychotherapeutische Sprechstunde statt. Diese umfasst i.d.R. ca. 50 Minuten. Alternativ können auch zwei Sitzungen mit jeweils 25 Minuten stattfinden.
In diesem allgemeinen Orientierungsgespräch wird abgeklärt, welche psychischen Beschwerden vorliegen, ob eine Psychotherapie zu empfehlen ist oder welche weiteren Hilfsmaßnahmen geeignet sind. Dabei wird über die verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren oder ggf. alternative Anlaufstellen beraten.
Es ist leider möglich, dass der:die Therapeut:in des Erstgesprächs keine freien Kapazitäten für eine weitere Behandlung hat. In diesem Fall kann die Terminservicestelle (Tel. 116 117) kontaktiert oder die Psychotherapeut:innen-Suche auf der Website der Kassenärztlichen Vereinigung (z.B. für Bayern: https://dienste.kvb.de/arztsuche/app/erweiterteSuche.htm) genutzt werden.
Step 2: Probatorische Phase (Probesitzungen)
An die Psychotherapeutische Sprechstunde knüpfen zwei bis vier Probesitzungen von jeweils 50 Minuten an. Diese sind verpflichtend, wenn im Anschluss eine Kurz- oder Langzeittherapie eingeleitet werden soll.
Bei akuten psychischen Beschwerden kann direkt im Anschluss an die Psychotherapeutische Sprechstunde eine Akuttherapie (Step 3) stattfinden. Diese umfasst bis zu 12 Sitzungen mit jeweils 50 Minuten.
Die Probesitzungen dienen dem gegenseitigen Kennenlernen von Patient:in und Psychotherapeut:in. Außerdem wird überprüft, ob das jeweilige Therapieverfahren zu den Problemen des:der Patient:in passt.
Gleichzeitig erfolgt eine detaillierte diagnostische Abklärung. Dabei werden u.a. Informationen zu allgemeinen Eigenschaften sowie zum lebensgeschichtlichen und familiären Hintergrund gesammelt.
Falls beide Seiten an einer Weiterbehandlung interessiert sind, wird gemeinsam ein Antrag auf Kostenübernahme der Psychotherapie bei der Krankenversicherung gestellt.
Des Weiteren wird ein sog. Konsiliarbericht von Hausärzt:in oder Psychiater:in angefordert, um körperliche Erkrankungen und Kontraindikationen (Umstände, die die Anwendung psychotherapeutischer Maßnahmen verbieten) auszuschließen.
Schließlich werden die weitere Behandlung besprochen und gemeinsam Ziele festgelegt, die der:die Patient:in im Laufe der Therapie erreichen will.
Wie beantragt man die Kostenübernahme der Psychotherapie bei der Krankenkasse?
Die probatorischen Sitzungen werden automatisch von der Krankenkasse gewährt. Dafür ist nur eine Krankenkassenkarte notwendig, die dem:der Therapeut:in vorgelegt werden muss.
Für eine Kurz- oder Langzeittherapie muss ein Antrag auf Kostenerstattung gestellt werden. Die notwendigen Formulare stellen die Therapeut:innen zur Verfügung. Diese werden gemeinsam ausgefüllt.
Bei einem Antrag auf Langzeittherapie benötigt die Krankenkasse zusätzlich ein psychologisches Gutachten, das der:die Therapeut:in erstellt.
Eine Antrag wird grundsätzlich angenommen, wenn
- die Therapie medizinisch notwendig ist.
- körperliche Ursachen für die psychischen Beschwerden ausgeschlossen sind.
- der:die Therapeut:in eine Kassenzulassung (bei gesetzlich Versicherten) besitzt.
- der:die Therapeut:in in Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie, Analytischer Psychotherapie oder Systemischer Therapie ausgebildet ist.
Bei speziellen Fragen kann man sich jederzeit an die Therapeut:innen oder an die Krankenkassen wenden. Insbesondere bei privaten Versicherungen sind die Regelungen leider nicht einheitlich und sollten daher direkt erfragt werden.
Step 3: Therapiephase (Arbeitsphase)
Im Rahmen der Arbeitsphase erfolgt die eigentliche Behandlung der psychischen Erkrankung(en) mit wissenschaftlich fundierten psychotherapeutischen Methoden.
Das Gespräch steht stets im Vordergrund. Dabei beschreibt der:die Patient:in Gedanken und Gefühle bezüglich verschiedener Situationen sowie Wahrnehmungen, Handlungen und Konsequenzen. Währenddessen stellt der:die Psychotherapeut:in gezielt Fragen, sodass der:die Patient:in selbst unzweckmäßige Erlebens- und Verhaltensmuster erkennt. Diese können schließlich verändert werden.
Für ein positives Therapieergebnis ist es ausschlaggebend, dass die in der Therapie erlernten Strategien im Alltag angewendet und eingeübt werden. Dazu werden Hausaufgaben eingesetzt, die immer gemeinsam mit dem:der Therapeut:in besprochen werden und zwischen den Therapiesitzungen zu erledigen sind. Es ist wichtig zu erkennen, dass der:die Therapeut:in Patient:innen auf ihren individuellen Wegen begleiten und helfen, Probleme besser zu verstehen und zu lösen. Die eigentliche Bewältigung liegt jedoch bei den Patient:innen selbst.
Formal kann man zwischen Kurz- und Langzeittherapien unterscheiden. Eine Kurzzeittherapie umfasst 12 Sitzungen mit jeweils 50 Minuten. Bei Bedarf kann um weitere 12 Sitzungen verlängert und eine Langzeittherapie angeschlossen werden. Eine Langzeittherapie umfasst je nach Therapierichtung unterschiedlich viele Sitzungen. Zum Beispiel bis zu 80 Sitzungen in der Verhaltenstherapie und bis zu 100 Sitzungen in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.
Während des Therapieverlaufs kann es durchaus vorkommen, dass sich Probleme, Zweifel und eine Stimmungsverschlechterung ergeben. Das ist ganz normal, da sich die Patient:innen in der Therapie oft erstmals tiefer mit belastenden Thematiken auseinandersetzen. Hier sollte man immer offen mit dem:der Psychotherapeut:in sprechen und Bedenken äußern. Beeinflusst die Therapie das Wohlbefinden langfristig negativ, sollte man auch dies ansprechen und ggf. über einen Therapeut:innen- oder Verfahrenswechsel nachdenken. In diesem Fall muss mit der Krankenkasse das weitere Vorgehen besprochen werden. Oft kann ein:e neue:r Therapeut:in die bereits bewilligten „Reststunden“ übernehmen. Will man als Patient:in in einem Zeitraum von zwei Jahren eine neue Therapie mit der üblichen Stundenkontingente beginnen, ist der:die Therapeut:in verpflichtet, ein Gutachten zu schreiben. Der Zugang zu einer erneuten Therapie ist daher erschwert, aber prinzipiell möglich. 4
Step 4: Nachsorgephase
Zuletzt erfolgt je nach Therapierichtung und Bedarf eine unterschiedlich lange Nachsorgephase. Sie umfasst die letzten zur Verfügung stehenden Sitzungen, welche im Abstand von mehreren Wochen und Monaten abgehalten werden. Es werden zukünftige Ziele besprochen und wie erlernte Strategien beibehalten werden können. Außerdem wird ein Notfallplan erstellt, um zu wissen, wie man mit einem (drohenden) Rückfall in alte Gewohnheitsmuster umgehen kann.
Außerdem können nach Abschluss einer bewilligten Psychotherapie Gespräche zur Rückfallprophylaxe bis zu 150 Minuten im Quartal mit dem:der Psychotherapeut:in in Anspruch genommen werden. 4
Fazit: Das Ende der Therapie bedeutet nicht, dass automatisch alle Probleme gelöst sind. Wichtig ist, dass man gelernt hat, gesünder mit seinen Gedanken umzugehen und wie man schwierige Situationen besser bewältigen kann.
Quellen:
1 Propach, F. (13.06.2017). Ablauf Psychotherapie. therapie.de. Abgerufen am 02.09.2022, von https://www.therapie.de/psyche/info/fragen/psychotherapie-ablauf/erstgespraech/
2 TK Die Techniker. Wie beantrage ich eine Psychotherapie? tk.de. Abgerufen am 02.09.2022, von https://www.tk.de/techniker/leistungen-und-mitgliedschaft/informationen-versicherte/leistungen/weitere-leistungen/faq-psychotherapie/wie-beantrage-ich-eine-psychotherapie-2005910?tkcm=ab
3 Psychotherapie-Informationsdienst. Erste Schritte – ein Handlungsleitfaden in 7 Schritten für den Weg zur richtigen Psychotherapie. psychotherapiesuche.de. Abgerufen am 02.09.2022, von https://www.psychotherapiesuche.de/pid/ersteschritte
4 Burgdorf, K. (2022). Was zu tun ist bei Therapeutenwechsel und Verfahrenswechsel. dgvt-bv.de. Abgerufen am 02.09.2022, von https://www.dgvt-bv.de/news-details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=2983&cHash=931106df959e2a3211a815c4f02597cc